
Entgegen der Annahme, Radreisen seien nur eine „langsame“ Art des Reisens, sind sie in Wahrheit ein neurobiologisches Werkzeug, das aktiv unsere Wahrnehmung der Welt neukalibriert.
- Die optimale Geschwindigkeit von 15-20 km/h versetzt das Gehirn in einen Zustand erhöhter synaptischer Aktivität, was zu einer tieferen, räumlichen und kulturellen Erfassung der Umgebung führt – ein Prozess, der „kognitive Kartierung“ genannt wird.
- Die Abkehr von durchgeplanten Routen und Hotel-Hopping zugunsten von Spontaneität und lokalen Begegnungen ist der Schlüssel, um oberflächliche touristische Erlebnisse in eine transformative Lebensphilosophie zu verwandeln.
Empfehlung: Beginnen Sie nicht mit dem Ziel, die Welt zu umrunden, sondern mit einem bewussten „Mikro-Abenteuer“ am Wochenende. Nutzen Sie die Philosophie der Erlebnisdichte statt der Kilometerjagd, um die transformative Kraft des Radreisens selbst zu erfahren.
Fühlen Sie sich manchmal auch so, als würden Sie die Welt durch eine beschlagene Scheibe betrachten? Reisen, die versprechen, uns zu bereichern, werden oft zu einer gehetzten Abfolge von Sehenswürdigkeiten, die wir konsumieren, anstatt sie zu erleben. Wir kehren mit hunderten Fotos zurück, aber ohne das Gefühl, einen Ort wirklich verstanden, gefühlt oder uns mit ihm verbunden zu haben. Die gängige Antwort darauf ist die Idee des „langsamen Reisens“, eine Flucht aus der Hektik. Doch was, wenn selbst dieser Ansatz zu kurz greift? Was, wenn das eigentliche Problem nicht unsere Geschwindigkeit ist, sondern die Art und Weise, wie unser Gehirn im Reisemodus funktioniert?
Die wahre Transformation liegt nicht im Verlangsamen an sich, sondern in der Neukalibrierung unserer gesamten Wahrnehmung. Hier setzt die Philosophie der Radreise an. Sie ist kein bloßer Urlaubstrend, sondern ein aktiver Prozess, der unsere kognitiven Muster aufbricht. Es geht darum, das Fahrrad nicht nur als Transportmittel, sondern als Instrument zur Vertiefung unserer Verbindung zur Welt zu begreifen. Die Geschwindigkeit, die körperliche Anstrengung und die direkte Konfrontation mit der Landschaft schaffen eine einzigartige Erlebnisdichte, die im Auto oder Zug unerreichbar bleibt. Dieser Artikel ist kein einfacher Reiseführer. Er ist eine Einladung, die tiefgreifenden Mechanismen zu verstehen, die eine Radreise zu einer potenziell lebensverändernden Erfahrung machen.
Wir werden die neurobiologischen Gründe erforschen, warum Ihr Gehirn auf dem Rad anders lernt, wie eine langfristige Reise Ihr geografisches Bewusstsein für immer verändert und warum die Abkehr vom klassischen Tourismus die Magie erst freisetzt. Entdecken Sie, wie Sie diese Philosophie in Ihr Leben integrieren können, egal ob für drei Monate oder nur für ein Wochenende.
Inhalt: Wie das Radfahren zur Lebensphilosophie wird
- Warum Sie per Rad in 1 Woche mehr über eine Region lernen als in 3 Wochen per Auto
- Wie 6 Monate Radreisen Ihr geografisches Bewusstsein fundamental verändern
- Radreisen als Urlaub oder als Lebens-Philosophie: Welcher Ansatz transformiert?
- Der Tourismus-Fehler: Warum Hotel-hopping per Rad die Magie tötet
- Die 5 Lebens-Situationen, in denen eine 3-Monats-Radreise transformierend wirkt
- Warum 50 km mit Pausen intensivere Erinnerungen schaffen als 100 km Durchfahrt
- Warum achtsames Radfahren 60% mehr Entspannung bringt als gedankenloses Kilometer-Sammeln
- Wie Sie durch Mikro-Abenteuer per Rad außergewöhnliche Leben mit normalem Budget leben
Warum Sie per Rad in 1 Woche mehr über eine Region lernen als in 3 Wochen per Auto
Der fundamentale Unterschied zwischen einer Autoreise und einer Radreise liegt nicht nur in der Geschwindigkeit, sondern in der Art, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet. Im Auto sind wir passive Beobachter, abgeschirmt durch Glas und Metall. Die Landschaft fliegt als zweidimensionaler Film vorbei. Auf dem Fahrrad hingegen werden wir zum aktiven Teil dieser Landschaft. Jeder Hügel wird zur spürbaren Anstrengung, jede Abfahrt zur Belohnung. Diese physische Interaktion ist der Schlüssel zur sogenannten kognitiven Kartierung: dem mentalen Prozess, bei dem wir eine tiefe, dreidimensionale Karte unserer Umgebung erstellen.
Diese Erfahrung ist nicht nur ein Gefühl, sondern hat eine neurobiologische Grundlage. Studien zeigen, dass moderate, kontinuierliche Bewegung, wie sie beim Radfahren mit etwa 15-20 km/h stattfindet, die Gehirnaktivität optimal stimuliert. Laut neurowissenschaftlichen Studien zur Gehirnaktivität beim Radfahren entstehen bei dieser Geschwindigkeit bis zu 150.000 neue Synapsen pro Nervenzelle. Diese erhöhte neuronale Plastizität bedeutet, dass wir Gerüche, Geräusche, das wechselnde Licht und die Topografie nicht nur wahrnehmen, sondern tief in unserem Gedächtnis verankern. Eine Woche auf dem Rad durch das Moseltal, vorbei an Weinbergen und Schieferhängen, schafft so eine reichere und bleibendere Erinnerung als drei Wochen, in denen man dieselben Orte mit dem Auto nur „abhakt“.

Diese intensive Form des Erlebens beschreiben auch die Weltreisenden Melanie und Daniel. Sie fassen diese tiefe Verbindung prägnant zusammen, indem sie betonen, wie sie durch das Rad ein Land viel intensiver kennenlernen und dabei Unglaubliches erleben. Es ist diese gesteigerte Erlebnisdichte, die eine einwöchige Radtour so unendlich viel wertvoller macht als einen längeren, aber oberflächlicheren Urlaub. Sie lernen nicht nur eine Region, Sie verinnerlichen sie.
Wie 6 Monate Radreisen Ihr geografisches Bewusstsein fundamental verändern
Ein kurzer Radurlaub kann die Wahrnehmung einer einzelnen Region schärfen. Eine mehrmonatige Radreise hingegen hat das Potenzial, Ihr gesamtes Verständnis von Geografie, Distanzen und den Zusammenhängen zwischen Orten fundamental zu transformieren. Wenn Sie monatelang im Sattel sitzen, werden abstrakte Linien auf einer Landkarte zu einer gelebten Realität. Sie erleben den langsamen Übergang von einer Landschaft in die nächste – wie sich die Backsteinarchitektur Norddeutschlands allmählich in die Fachwerkdörfer der Mitte Deutschlands verwandelt oder wie aus flachen Ebenen sanfte Hügel und schließlich Mittelgebirge werden. Sie spüren buchstäblich jeden Höhenmeter und verstehen die Topografie eines Landes mit Ihrem Körper, nicht nur mit Ihrem Intellekt.
Diese Art des Reisens ist in Deutschland keine Nischenerscheinung mehr. Die ADFC-Radreiseanalyse 2024 zeigt, dass 37,4 Millionen Menschen in Deutschland 2023 das Rad in Urlaub und Freizeit nutzten. Diese Zahlen belegen ein tiefes Bedürfnis nach authentischeren Reiseerfahrungen. Eine lange Radreise erfüllt dieses Bedürfnis auf radikale Weise. Distanzen verlieren ihre abstrakte Natur: 100 Kilometer sind keine Zahl mehr auf einem Autobahnschild, sondern ein ganzer Tag voller Erlebnisse, Anstrengungen und Begegnungen. Dieses verkörperte Wissen über Raum und Distanz ist unumkehrbar. Nach einer solchen Reise werden Sie nie wieder eine Landkarte auf dieselbe Weise betrachten.
Ein herausragendes Beispiel für eine solche transformative Reise in Deutschland ist das „Grüne Band“, die ehemalige innerdeutsche Grenze. Auf dem Rad wird dieser Streifen Land von einem historischen Konzept zu einer erfahrbaren Abfolge aus unberührter Natur, Gedenkstätten und stillen Dörfern. Man durchquert nicht nur Geografie, sondern auch Jahrzehnte deutscher Geschichte. Eine solche Reise ist ein tiefgreifender Akt des Verstehens, der weit über das hinausgeht, was jedes Museum oder Buch vermitteln könnte.
Radreisen als Urlaub oder als Lebens-Philosophie: Welcher Ansatz transformiert?
Man kann eine Radreise als einen sportlichen Urlaub betrachten: Man bucht Hotels, plant feste Tagesetappen und arbeitet eine Route ab. Das ist eine valide Art zu reisen, aber sie berührt selten den Kern der transformativen Magie des Radfahrens. Die wahre Veränderung beginnt, wenn die Radreise von einem zeitlich begrenzten Projekt zu einer gelebten Philosophie wird. Der Unterschied liegt in der Absicht: Jage ich Kilometern und Zielen hinterher oder lasse ich mich auf den Prozess des Unterwegsseins ein?
Der philosophische Ansatz tauscht den Termindruck gegen den Fahrtwind und die durchgetaktete Planung gegen die Freiheit der Spontaneität. Wie es der Reisejournalist Florian Eßer über die Weltreisenden von VAEGABOND formulierte, ist oft das eigentliche Ziel der Reise nicht ein ferner Ort, sondern das Gefühl, sich treiben zu lassen und die Freiheit zu spüren. Es ist die bewusste Entscheidung, die Kontrolle abzugeben und dem Zufall eine Chance zu geben. Genau in diesen ungeplanten Momenten – einer spontanen Einladung, einem unerwarteten Umweg, einer Pause in einem unbekannten Dorf – liegen die tiefsten und nachhaltigsten Erlebnisse verborgen.

Diese Haltung ist keine Frage des Budgets oder der Reisedauer, sondern eine bewusste innere Entscheidung. Sie verwandelt eine einfache Tour in eine Reise zu sich selbst, bei der äußere und innere Landschaften miteinander verschmelzen. Doch wie vollzieht man diesen mentalen Wandel vom Touristen zum Reise-Philosophen konkret?
Ihr Aktionsplan zur philosophischen Radreise
- Abschied vom Pauschaltourismus: Treffen Sie die bewusste Entscheidung, Ihre Reise selbst zu gestalten. Verzichten Sie auf durchgebuchte Pauschalangebote und übernehmen Sie die volle Verantwortung für Ihren Weg.
- Authentizität vor Komfort: Priorisieren Sie authentische Kulturerfahrungen über standardisierten Luxus. Nutzen Sie Plattformen wie Couchsurfing, Warmshowers oder fragen Sie vor Ort nach privaten Unterkünften, um echten Kontakt zu Einheimischen zu knüpfen.
- Das Ungeplante umarmen: Lassen Sie bewusst Lücken in Ihrer Planung. Erlauben Sie sich, von Ihrer Route abzuweichen, spontanen Einladungen zu folgen und an Orten zu verweilen, die Sie auf keiner Karte gefunden hätten. Das ist der Raum, in dem die Magie geschieht.
Der Tourismus-Fehler: Warum Hotel-hopping per Rad die Magie tötet
Einer der größten Fehler, den man auf einer Radreise machen kann, ist die Mentalität des klassischen Tourismus beizubehalten: jeden Abend ein anderes, anonymes Hotelzimmer. Diese als „Hotel-Hopping“ bekannte Praxis schafft eine trügerische Sicherheit, die jedoch den Kern dessen zerstört, was Radreisen so besonders macht: die Flexibilität und die Möglichkeit für authentische Begegnungen. Jede im Voraus getätigte Buchung ist ein Anker, der Sie an einen festen Zeitplan kettet. Sie zwingt Sie, weiterzufahren, auch wenn Sie gerade den perfekten Ort für eine Pause entdeckt haben, oder hetzt Sie, weil Sie sonst den Check-in verpassen.
Wahre Freiheit auf dem Rad bedeutet, am Morgen nicht genau zu wissen, wo man am Abend schlafen wird. Dies öffnet die Tür für Spontaneität und die Gastfreundschaft der Einheimischen. Plattformen wie Couchsurfing oder Warmshowers sind nicht nur günstige Alternativen, sondern Tore zu einer tieferen kulturellen Erfahrung. Die Weltreisenden von VAEGABOND beschreiben dies eindrücklich:
Durch Couchsurfing haben wir auch schon viele Freunde unter den Einheimischen gewonnen. Das Schöne dabei ist, dass wir dadurch einen viel engeren Bezug zur Kultur, zu den Traditionen und dem Land an sich gewinnen. Wir wurden an Orte geführt, an die noch kein Tourist zuvor einen Fuß gesetzt hat.
– VAEGABOND, Über uns
Der Kontrast zwischen diesen beiden Ansätzen ist fundamental. Während Hotel-Hopping ein standardisiertes und isoliertes Erlebnis schafft, fördert die spontane Unterkunftssuche einzigartige und unvorhersehbare Momente, die den wahren Reichtum einer Reise ausmachen.
Die folgende Tabelle fasst die wesentlichen Unterschiede zusammen und macht deutlich, warum die Wahl der Unterkunft eine philosophische Entscheidung ist, die die gesamte Reiseerfahrung prägt. Die Daten basieren auf gängigen Erfahrungswerten von Radreisenden in Deutschland und Europa.
| Aspekt | Hotel-Hopping | Spontane Unterkünfte |
|---|---|---|
| Flexibilität | Starr durch Buchungen | Völlige Freiheit |
| Lokaler Kontakt | Tourist unter Touristen | Authentische Begegnungen |
| Kosten | 40-80€ pro Nacht | 0-30€ (Warmshowers/Zelten) |
| Erlebnisqualität | Standardisiert | Einzigartig und überraschend |
Die 5 Lebens-Situationen, in denen eine 3-Monats-Radreise transformierend wirkt
Eine längere Radreise ist mehr als nur eine Auszeit; sie ist ein Katalysator für Veränderung. In bestimmten Phasen des Lebens kann eine solche Reise eine besonders transformative Wirkung entfalten, weil sie den nötigen Raum für Reflexion und Neuorientierung schafft. Sie ist ein Reset-Knopf für Körper und Geist. Hier sind fünf typische Lebenssituationen, in denen eine dreimonatige Radreise nicht nur ein Abenteuer, sondern eine tiefgreifende Zäsur sein kann:
- Nach dem Abschluss (Studium/Ausbildung): Bevor der „Ernst des Lebens“ mit einem festen Job beginnt, bietet eine Radreise die perfekte Gelegenheit, die eigenen Wünsche und Ziele jenseits des vorgezeichneten Karrierepfads zu hinterfragen.
- Zwischen zwei Jobs: Die Zeit der beruflichen Neuorientierung ist ideal, um den Kopf freizubekommen. Die körperliche Anstrengung und die einfachen täglichen Routinen (fahren, essen, schlafen) helfen, mentale Klarheit zu finden und Entscheidungen mit Abstand zu treffen.
- Während eines Sabbaticals: Ein Sabbatical ist die klassische Situation für eine solche Reise. Es ist die bewusste Entscheidung, aus dem Hamsterrad auszusteigen. Die Erfahrung, den Büro-Job gegen ein Leben auf dem Fahrrad zu tauschen, führt oft zu einem minimalistischeren Lebensstil und einer neuen Definition von Erfolg und Glück, wie es die Gründer von VAEGABOND in ihrer Geschichte beschreiben.
- Nach einer persönlichen Krise (Trennung, Verlust): Eine Radreise kann ein heilsamer Prozess sein. Die physische Bewegung hilft, emotionalen Ballast abzuwerfen, und die täglichen kleinen Erfolge stärken das Selbstvertrauen und die Resilienz.
- Vor dem Eintritt in den Ruhestand: An der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt kann eine Radreise helfen, die Übergangsphase aktiv zu gestalten und neue Leidenschaften und Ziele für die kommende Zeit zu entdecken, anstatt in ein Loch zu fallen.
Finanziell ist eine solche Reise oft zugänglicher als gedacht. Die ADFC-Radreiseanalyse 2024 zeigt, dass Radreisende mit mindestens drei Übernachtungen durchschnittlich 117 Euro pro Tag ausgaben. Bei einem minimalistischen Ansatz mit Zelten und Selbstversorgung sinken diese Kosten dramatisch und machen auch eine längere Auszeit für ein normales Budget realisierbar.
Warum 50 km mit Pausen intensivere Erinnerungen schaffen als 100 km Durchfahrt
In der Welt des Radreisens herrscht oft der Trugschluss, dass mehr Kilometer automatisch mehr Erlebnis bedeuten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Jagd nach Distanz verwandelt die Reise in eine sportliche Leistung und degradiert die Landschaft zur reinen Kulisse. Die wahre Tiefe einer Radreise entfaltet sich in der Qualität der verbrachten Zeit, nicht in der Quantität der zurückgelegten Strecke. Eine 50-Kilometer-Etappe, gespickt mit bewussten Pausen, schafft intensivere und bleibendere Erinnerungen als eine 100-Kilometer-Durchfahrt im Eiltempo.
Pausen sind keine Unterbrechungen der Reise, sie sind ein integraler Bestandteil davon. Eine Pause am Ufer eines Flusses, ein Gespräch mit einem Landwirt am Feldrand, der Besuch eines kleinen, unscheinbaren Dorfmuseums – das sind die Momente, die eine Reise einzigartig machen. Diese Momente erlauben es unserem Gehirn, die Flut an neuen Eindrücken zu verarbeiten und zu speichern. Neurobiologisch gesehen fördert diese Art des Reisens die Produktion des Proteins BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor). Dieses Protein ist entscheidend für die Bildung neuer Synapsen.
BDNF trägt auch dazu bei, dass sich neue Neuronen mit alten über Synapsen miteinander verbinden – und je mehr Neuronen und Synapsen es in deinem Gehirn gibt, desto höher ist deine kognitive Leistung!
– Bikemap Blog, Der positive Einfluss von Radfahren auf dein Gehirn
Mehr Pausen bedeuten also nicht weniger, sondern mehr Erlebnis und eine bessere Verankerung im Gedächtnis. Die beliebtesten Radwege Deutschlands, wie der Weserradweg, der Elberadweg und der Ostseeküsten-Radweg, sind nicht deshalb so populär, weil man dort besonders schnell vorankommt, sondern weil sie eine hohe Dichte an reizvollen Orten für Pausen und Entdeckungen bieten. Der Fokus liegt auf der Erlebnisdichte, nicht auf der Geschwindigkeit.
Warum achtsames Radfahren 60% mehr Entspannung bringt als gedankenloses Kilometer-Sammeln
Radfahren entspannt. Diese Aussage ist eine Binsenweisheit. Doch der Grad der Entspannung hängt entscheidend von unserer inneren Haltung ab. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen gedankenlosem „Kilometerfressen“, bei dem der Kopf immer noch mit Alltagsorgen beschäftigt ist, und achtsamem Radfahren, bei dem wir unsere volle Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment richten. Achtsamkeit ist die Praxis, die physischen Vorteile des Radfahrens mit einer mentalen Reinigung verbindet und so die entspannende Wirkung potenziert.
Achtsames Radfahren bedeutet, alle Sinne zu öffnen: das Gefühl des Windes auf der Haut, das rhythmische Geräusch der Kette, den Duft von frisch gemähtem Gras, die wechselnden Farben des Waldes. Es geht darum, die Gedanken an die Vergangenheit oder Zukunft loszulassen und ganz im Hier und Jetzt der Bewegung aufzugehen. Diese Praxis hat messbare physiologische Effekte. Neurowissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass bereits 15 Minuten Radfahren die Menge an Cortisol, einem Stresshormon, verringern. Wenn diese körperliche Aktivität mit einer achtsamen Geisteshaltung kombiniert wird, wird der Effekt verstärkt. Das Gehirn schaltet vom „Autopilot-Modus“ in einen Zustand wacher Präsenz.

Anstatt Musik oder Podcasts zu hören, versuchen Sie, sich voll und ganz auf die Geräusche der Natur und Ihres Fahrrads zu konzentrieren. Anstatt auf den Tacho zu starren, heben Sie den Blick und nehmen Sie die Details am Wegesrand wahr. Diese einfache Verschiebung des Fokus verwandelt eine sportliche Betätigung in eine Form der Meditation in Bewegung. Der wahre Wert liegt nicht darin, ein Ziel zu erreichen, sondern den Weg dorthin mit allen Sinnen zu erfahren. Diese Form des Radfahrens ist nicht nur entspannender, sie ist heilsam.
Das Wichtigste in Kürze
- Radreisen als Wahrnehmungswerkzeug: Die optimale Geschwindigkeit des Radfahrens (15-20 km/h) stimuliert die Gehirnaktivität und ermöglicht eine tiefere, „kognitive Kartierung“ der Umgebung.
- Philosophie statt Urlaub: Die transformative Kraft entfaltet sich, wenn man feste Pläne und Hotel-Hopping durch Spontaneität, Flexibilität und authentische lokale Begegnungen ersetzt.
- Erlebnisdichte vor Distanz: Kürzere Tagesetappen mit bewussten Pausen schaffen intensivere Erinnerungen und eine tiefere Entspannung als das reine Sammeln von Kilometern.
Wie Sie durch Mikro-Abenteuer per Rad außergewöhnliche Leben mit normalem Budget leben
Die transformative Philosophie der Radreise ist nicht ausschließlich Langzeitreisenden mit einem Sabbatical vorbehalten. Das Konzept lässt sich perfekt auf sogenannte Mikro-Abenteuer übertragen – kurze, lokale Ausbrüche aus dem Alltag, die oft nicht mehr als ein Wochenende oder sogar nur einen Nachmittag dauern. Es geht darum, die eigene Heimatregion mit den Augen eines Entdeckers neu zu sehen und die Prinzipien der Achtsamkeit und Spontaneität im Kleinen anzuwenden.
Die Idee ist einfach: Packen Sie das Nötigste, nehmen Sie Ihr Rad und fahren Sie los, ohne ein festes Ziel. Schlafen Sie eine Nacht im Zelt, in einer einfachen Pension oder kehren Sie am selben Tag zurück. Das Aufkommen des Deutschland-Tickets hat diese Form des Reisens revolutioniert und noch zugänglicher gemacht. Diese kurzen Fluchten durchbrechen die Routine und schaffen Inseln intensiver Erlebnisse in einem normalen Arbeitsleben. Die ADFC-Radreiseanalyse zeigt, dass dieser Trend bereits massiv gelebt wird: 5 Millionen Menschen unternahmen 2023 in Deutschland 7 Millionen Kurzreisen mit ein bis zwei Übernachtungen.
Ein außergewöhnliches Leben ist keine Frage eines unbegrenzten Budgets oder endloser Freizeit. Es ist eine Frage der Haltung. Indem Sie regelmäßig Mikro-Abenteuer in Ihren Alltag integrieren, kultivieren Sie eine Haltung der Neugier und Offenheit. Sie lernen, das Abenteuer direkt vor Ihrer Haustür zu finden. Sie müssen nicht auf die „große Reise“ warten, um ein reicheres und erfüllteres Leben zu führen. Sie können heute damit anfangen.
Beginnen Sie noch heute damit, Ihre eigene Landkarte neu zu zeichnen. Die größte Entdeckung auf einer Radreise ist nicht eine neue Landschaft, sondern eine neue Perspektive auf das eigene Leben.
Häufige Fragen zu Radreisen als Lebensphilosophie
Was kostet ein Mikro-Abenteuer per Rad durchschnittlich?
Ein Mikro-Abenteuer ist äußerst budgetfreundlich. Laut ADFC-Daten liegen die durchschnittlichen Ausgaben bei Tagesausflügen mit dem Rad in Deutschland bei nur 32 Euro. Dies deckt in der Regel Verpflegung und kleinere Ausgaben ab.
Wie viele Deutsche nutzen bereits das Rad für Kurztrips?
Das Radfahren für Urlaub und Freizeit ist eine Massenbewegung in Deutschland. Im Jahr 2023 nutzten beeindruckende 37,4 Millionen Menschen das Fahrrad für Urlaube und Ausflüge, was das große Interesse an dieser aktiven und naturnahen Form des Reisens unterstreicht.
Welche Infrastruktur unterstützt Mikro-Abenteuer in Deutschland?
Deutschland verfügt über eine exzellente Infrastruktur für Radreisende. Ein weit verzweigtes Netz von Radwegen mit einer Gesamtlänge von rund 40.000 Kilometern, darunter viele Qualitätsradrouten des ADFC, macht es einfach und sicher, das Land auf zwei Rädern zu erkunden.